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XVII Woche im Jahreskreis – Freitag

Jesus lebt in jedem Menschen

Jesus kam in seine Heimatstadt und lehrte die Menschen dort in der Synagoge. Da staunten alle und sagten: Woher hat er diese Weisheit und die Kraft, Wunder zu tun? Ist das nicht der Sohn des Zimmermanns? Heißt nicht seine Mutter Maria und sind nicht Jakobus, Josef, Simon und Judas seine Brüder? Leben nicht alle seine Schwestern unter uns? Woher also hat er das alles? Und sie nahmen Anstoß an ihm und lehnten ihn ab. Da sagte Jesus zu ihnen: Nirgends hat ein Prophet so wenig Ansehen wie in seiner Heimat und in seiner Familie. Und wegen ihres Unglaubens tat er dort nur wenige Wunder. Mt 13,54-58

Unter seinen Verwandten und in seiner Heimat wird Jesus als Messias abgelehnt, denn „sie nahmen Anstoß an ihm“: „Er kam in sein Eigenutm, aber die Seinen nahmen ihn nicht auf“ (Joh 1, 11). Warum wird er abgelehnt? Warum nehmen sie Anstoß an ihm? Es ist sehr wichtig, diese Frage zu beantworten. Seinen Verwandten und seinen Leuten ist es nicht schwierig zuzugeben, dass die von Jesus verwirklichten Zeichen und von Jesus offenbarten Wahrheit von Gott stammen. Sie finden dagegen schwierig zu verstehen, dass die endgültige Offenbarung des Mysteriums Gottes sich in einem konkreten Menschen, über den sie alles – die Abstammung, die Verwandten, die Arbeit und den sozialen Zustand – wissen, verkörpert hat. Nach seinen Verwandten und nach dem Menschen jeder Zeit besteht das Ärgernis daraus, dass das Wort Gottes sich verkörpert hat: „Und das Wort ist Fleisch geworden, und hat unter uns gewohnt“ (Joh 1, 14). Das Paradox, das wir annehmen müssen, um den Glauben zu haben, besteht daraus, dass Gott den Menschen trifft und der Mensch Gott in einer konkreten Person trifft. Warum muss es ein Mensch und nicht Gott selbst, den Gedanken Gottes mir zu offenbaren? Das war das Hindernis der Bürger von Nazaret, und es ist dasselbe Hindernis, auf das auch wir die Gefahr zu stoßen laufen, jedesmal, wenn wir nicht nur vor dem offenbarten Wort, aber auch vor einem echten Zeugen des Evangelium stehen. Im Alltag wird aber unser Sprung in den Glauben noch schwieriger als jener der Mitbürger Jesu: Wir sind berufen, das Gesicht des Herrn nicht in der Besonderheit des Heiligen sondern in der Normalität des Menschen, dem wir jeden Tag auf der Straße begegnen, zu erkennen. Das ist uns das Ärgernis. Der Mensch sucht immer besondere Zeichen im Himmel oder auf der Erde, aber er kann nicht die einfachen täglichen Zeichen begreifen und ihnen einen göttlichen Sinn geben. Das Evangelium fragt uns dagegen, mit Weisheit die Anwesenheit Gottes zu suchen, die in den Ereignissen und den Menschen jedes Tages erscheint. Es ist allen schwierig, solcher Anwesenheit in der Monotonie mancher Tage, im Leiden, in der Mühe bewusst zu werden, zum Beispiel, wenn ein Taschendieb versucht, uns die Geldtasche in der U-Bahn abzuziehen. Aber das ist der Bestimmungspunkt unseres Glauben. Der Moment der Eucharistie und die Einkehren sind wichtig, aber nur denn sie erlauben uns, den Herrn in einer neuen Art im Alltag zu treffen. Ich werde immer mich an die Aussage eines Kameraden des Kurses für Offizier in der Kaserne im Stadtviertel Cecchignola, Rom, erinnern. Während er auf seinem Bett am Abend betete, sagte ich ihm etwas ihm unpassend, oder ich hatte ihn mit einem meiner üblichen Scherze gestört. Auf einmal rief er aus: „Du täuscht mich nicht: Gott ist auch in dir!“. Und es war richtig, Gott war in mir, aber der Mensch, der nicht annehmen konnte, dass mein Freund einfach das tat, was ich nicht tun konnte, war auch da.

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