II Woche im Jahreskreis – Dienstag
Der Sabbat ist für den Menschen da
An einem Sabbat ging er durch die Kornfelder und unterwegs rissen seine Jünger Ähren ab. Da sagten die Pharisäer zu ihm: Sieh dir an, was sie tun! Das ist doch am Sabbat verboten. Er antwortete: Habt ihr nie gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren und nichts zu essen hatten – wie er zur Zeit des Hohenpriesters Abjatar in das Haus Gottes ging und die heiligen Brote aß, die außer den Priestern niemand essen darf, und auch seinen Begleitern davon gab? Und Jesus fügte hinzu: Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat. Deshalb ist der Menschensohn Herr auch über den Sabbat. Mk 2,23-28
Wenn ich als ein Knabe mit meinen Kindheitsfreunden durch das Weingelände in Toskana ging, geschah es uns manchmal, dass wir ein Paar noch nicht reife Trauben pflückten. Wenn der Bauer uns sah, lief er nach, weil es die ungeschriebene Regel gab, dass die Früchte der Erde reif werden mussten. Wenn wir stattdessen die Trauben pflückten, wenn die Zeit der Weinlese nah war, geschah es oft, dass der Bauer uns lächelnd sagte: „Dieses Jahr sind die Trauben ja gut, oder?“ Das heißt, es gibt Regeln, die nur für die Zeit des Wartens gültig sind, und wenn sie zu Ende ist, laufen sie automatisch ab, denn sie haben keinen Sinn mehr. Das ist die Bedeutung des Satzes Jesus „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat“. Der Sabbat war für den Juden tatsächlich der Tag des Feierns der messianischen Erwartung, aber da der Messias durch Jesus von Nazaret in die Geschichte schon eingedrungen war, war die Zeit der Erwartung zu Ende. Das war alles klar für Jesus und er begann, seinen Jüngern auch klar zu werden, die ruhig erlaubten sich, das zu tun, was in der Vergangenheit nie getan hätten.
Das Problem jener Pharisäer, die dem Meister das Verhalten seiner Jünger vorwarfen, war die Tatsache, dass sie auf keinen Messias mehr warteten, weil sie ihn durch das Gesetz ersetzt hatten. Das Gesetz ist ihr Messias geworden. Im Text von heute sagt uns das Verhalten der Jünger stattdessen, dass der Prozess der Befreiung von den Regeln in ihnen schon angefangen ist und er nach und nach so wachsen wird, wie sie im Glauben an Herrn und in der Liebe für den Nächsten reif werden. Mit anderen Worten, laufen die überschrittenen Regeln ab, und die anderen werden von den vom wahren Glauben inspirierten Gefühlen und Verhalten assimiliert. Heiliger Augustinus fasst das alles mit dem Satz zusammen: „Ama et fac quod vis“, d.h. „Lieb, und tue, was du willst“.